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Was wäre wenn ...

Es klingelt an der Tür. Ich seufze, stecke ich doch mit den Händen mitten im Brotteig. Noch während ich an der Spüle hastig versuche, die Finger zu säubern, klingelt es erneut. "Ja-ha", sage ich genervt - wohl wissend, dass es außer mir niemand hört.

Ich schnappe mir ein Handtuch und eile zur Tür. Noch immer duftenden Teig von den Händen wischend, öffne ich mit dem Ellenbogen die Haustür. Davor steht ein junges Mädchen in der üblichen schwarz-gelben Postklamotte und lächelt mich strahlend an. Dieses herzliche Leuchten ihrer Augen lässt meine Mundwinkel unwillkürlich nach oben zucken. Schweigend und lächelnd stehen wir uns in der offenen Tür gegenüber.

Bis ich stutze. "Ja, bitte?" Ich schaue mich suchend um. "Haben Sie ein Paket für mich?" Doch ich kann keines entdecken, weder in ihren Händen, noch zu ihren Füßen oder auf der Bank neben der Haustür. Ich runzele die Stirn und mein Lächeln schrumpft ein bisschen. "Nein", sagt sie und strahlt weiter. Ich beginne, meine Hände wieder nervös am Handtuch zu reiben.

"Was wollen Sie dann?" Misstrauen schwingt in meiner Stimme mit. Ihr Lächeln weicht keinen Millimeter.

"Ich habe eine Nachricht für Sie", sagt sie und hält mir ihre Hände entgegen. Automatisch strecken sich auch meine Hände ihr zu, ehe ich - gerade noch rechtzeitig - bemerke, dass ihre Hände leer sind. Ich trete eine Schritt zurück und wickele meine Finger ins Handtuch ein.

"Eine Nachricht", frage ich und fröstele. Langsam werde ich ungeduldig. Was soll das alles? Will die mich auf den Arm nehmen? Der Brotteig fällt mir ein. "Entschuldigung, ich habe es etwas eilig!", sage ich und ziehe die Augenbrauen hoch.

Sie strahlt unvermindert weiter, tritt zu mir und ergreift meine Hände.

Erstarrt stehe ich da. Ich kann ihre Wärme durch das Handtuch hindurch spüren. Mein Blick ist von dem ihren gefangen genommen. Mein Kopf ist leergefegt, ich sehe nur noch ihr Strahlen.

"Mach dich bereit", sagt sie sanft und drückt meine Hände. "Dein König kommt."

Sie lächelt mich noch einen Moment an, dann dreht sie sich um und geht.

Ratlos bleibe ich in der offenen Tür stehen. Erst als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme, erwache ich aus meiner Starre. Eine weiße Feder segelt neben mir zu Boden. Ich hebe sie auf und sehe der Botin nach, die mir gerade - immer noch strahlend - zuwinkt, ehe sie um die Ecke verschwindet.

 

inspiriert von der Frage "Was wäre eigentlich wenn ... ein Engel vor der Tür stünde, und er sähe aus, wie ein DHL-Bote?" aus dem Adventsschreiben von Susanne Niemeyer

Bild: Rosel Eckstein / pixelio.de

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Kommentare: 3
  • #1

    Diana (Dienstag, 01 Dezember 2020 19:28)

    Schööön �

  • #2

    Schwester B (Dienstag, 01 Dezember 2020 20:11)

    Vielen Dank für die schöne kleine Geschichte und den "Advents-Moment", den du mir damit geschenkt hast �

  • #3

    Melli (Donnerstag, 03 Dezember 2020 18:38)

    Danke für diesen zauberhaften Moment! �