Als ich in die Küche komme, sitzt sie am Tisch, die Hoffnung, und wärmt ihre roten Finger an einem Becher dampfenden Kakaos. Blass sieht sie aus, mit tiefen Ringen unter den Augen.
„Guten Morgen", sage ich und beginne, den Frühstückstisch zu decken. Die Hoffnung antwortet nicht, starrt einfach weiter mit leerem Blick aus dem Fenster.
Ich stutze. Dass sie etwas wortkarg sein kann, ist mir nicht neu. Aber so völlig abwesend, fast leblos?
Das erschreckt mich dann doch. Was tun?
Weil mir nicht recht etwas einfallen will, fahre ich mit den Vorbereitungen für das Frühstück fort. Becher, Teller, Messer, Obst, Tee, Milch, … Die Hoffnung rührt sich nicht.
„Dein Kakao wird kalt“, mahne ich.
Keine Reaktion.
Ich setze mich zu ihr an den Tisch, betrachte sie eingehend. Traurig sieht sie aus. Graue Haut, kein Lächeln im Blick, selbst ihre sonst so fröhlichen Sommersprossen sind blass geworden. Sie trägt einen dicken Schal um den Hals gewickelt, in dem ihr Kinn fast vollständig verschwindet. Es scheint, als wolle sie sich am liebsten komplett in ihn verkriechen.
„Möchtest du?“, frage ich und schiebe ihr eine Banane rüber. „Du siehst aus, als könntest du etwas Energie gebrauchen.“
„Wie bitte?“ Endlich schaut sie mich an. „Entschuldige, ich war wohl etwas abwesend.“
„Banane?“, frage ich noch einmal.
„Nein danke, keinen Appetit.“
„Fehlt dir was? Du siehst nicht gut aus, ehrlich gesagt“ Ich atme schnell. Ob ich damit zu weit gegangen bin, sie verletzt habe?
„Ich bin ein bisschen erschöpft“, sagt sie und starrt wieder vor sich hin. „Es kostet so viel Kraft, weißt du“, fährt sie schließlich fort. „Gegen all die Krisen, Katastrophen, Kriege, Krankheiten und Schicksale aufzustehen und das TROTZDEM zu stärken.“ Sie trinkt einen Schluck Kakao und spricht weiter. „Es gibt so viel Angst, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Empörung in der Welt. Dagegen scheine ich alleine nicht anzukommen. Dabei ist doch genau das mein ureigenes Sein: nicht aufgeben, dankbar sein, Licht finden, weitermachen. Aber im Moment fehlt mir die Kraft. Ich scheine mich selbst verloren zu haben.“
Die Hoffnung schweigt und ich mit ihr. Irgendwann halte ich es nicht mehr aus. Irgendetwas muss ich doch tun können. Weil mir nichts besseres einfällt, zünde ich zuerst einmal die Kerze auf dem Adventskranz an. Ein warmer Lichtschein taucht das Gesicht der Hoffnung in weiches Licht und zaubert ein leises Funkeln in ihre Augen. Sie richtet sich auf, streckt das Kinn aus dem Schal und schaut in die kleine Flamme.
„Aber ich bin ja gar nicht alleine“, sagt sie.
Meint sie etwa mich? Ich soll ihr helfen? Oh Schreck. Ich bin doch mit meinem eigenen Leben oft genug überfordert. Wie sollte ich denn der Hoffnung helfen können?
„Ähm …“, beginne ich, doch sie fällt mir ins Wort.
"Der Glaube und die Liebe sind doch meine Verbündeten. Danke, dass du mich daran erinnert hast!“
„Habe ich?“, frage ich.
Sie hört mir gar nicht zu. Neues Leben strömt durch die Hoffnung, ihre Wangen färben sich rosig, die Sommersprossen leuchten vorwitzig auf. Sie springt auf und greift nach der Banane.
„Ich muss los“, ruft sie im Hinauseilen. „Danke fürs Frühstück!“
Und obwohl die Hoffnung nicht mehr bei mir am Tisch sitzt, kann ich spüren, dass die Welt insgesamt etwas hoffnungsvoller geworden ist.
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Iris (Samstag, 09 Dezember 2023 12:20)
Eine berührende Geschichte, die Hoffnung gibt, das Glaube, Liebe und Hoffnung nicht verloren gehen.