Grün hinter den Ohren

Ich erinnere mich an grünen Wackelpudding, dabei mochte ich immer lieber den roten.

Genauso ging es mir mit grünem Brausepulver.

Waldmeister war nie meine Geschmacksrichtung.

Aber in Österreich, schräg gegenüber von Hechenberges, gab es dieses grüne Pistazieneis - das habe ich sehr geliebt. Vielleicht nur, weil es etwas so seltenes und besonderes war?!

Ich erinnere mich an das Grün des Frühlings und dass ich es nie erwarten konnte. Jedes Jahr hatte ich Angst, die Umweltverschmutzung, von der alle sprachen, habe dem frischen Grün das Wachsen endgültig verdorben. 

Ich erinnere mich an grüne Grasflecken auf der Hose - an den Knien oder auf dem Hosenboden, wenn ich auf dem Rasen herum gerutscht bin. 

Ich erinnere mich an Sommerwiesen voller Wiesenschaumkraut und an gepflückte Blumensträuße für Mama, die sie nicht wollte, weil Saudiesteln keine schönen Blumen sind.

Ich erinnere mich an Jolante, das riesige grüne Stoff-Nilpferd, das Papa beim Gemeindefest ersteigert hat. Was ist daraus eigentlich geworden? 

Ich erinnere mich an grüne Tücher, die die Schützendamen bekamen, als sie endlich in den Schützenverein aufgenommen wurden.

Ich erinnere mich an Karnevalskostüme mit leuchtend grünem Stoff. 

Ich erinnere mich an grüne Felder, Wiesen und Wälder, durch die ich gestreift bin.

Und an die unzähligen Nachmittage draußen- alleine oder mit anderen.

Ich erinnere mich an frische Kuhfladen, die flüssig grün auf der Straße lagen und an grüne Leckmuscheln, die es bei Frau Gröne zu kaufen gab. 

Ich erinnere mich an grüne Kissen in Omas Sofa - alt, muffig und mit Häkelborte.

Und an das Sofa selbst.

An Opa, der darauf sitzt und das Hustenglas am Boden neben sich stehen hat.

Ich sehe ihn, den Oberkörper schwer auf die Knie gestützt, leer vor sich hin starren, ohne Blick für die grüne Dreisch draußen vor dem Fenster. 

Ich erinnere mich an grüne Bleistifte - angekaut und abgeschrieben. 

Ich erinnere mich an grüne Prilblumen auf Küchen- und Kleiderschränken und an grüne Schutzumschläge für Schulhefte. 

Ich erinnere mich an grüne Kleeblatt-Aufkleber in Poesiealben und an Pfitzebohneneintopf, in den ein Löffel Essig aus einer grünen Flasche gehört. 

Ich erinnere mich an Schüsseln voller Erbsen aus dem Garten, die gekrüllt werden mussten - allerdings landeten dabei viele direkt in meinem Mund.

Ich erinnere mich an grünes Birkengrün am Straßenrand zum Schmuck beim Schützenfest und an Kränze an der Kirchentür bei Konfirmationen, Silberhochzeit und Co. 

Ich erinnere mich an grüne Teppichfliesen unten im Klo und frage mich, wer auf diese absurde Idee gekommen ist, Teppich im Klo zu verlegen.

Ich erinnere mich an grüne Handtücher - manche eher oliv, die kamen von der Bundeswehr und wurden letzthin zu Putztüchern umfunktioniert. 

Ich erinnere mich an einen grünen Lodenmantel, den ich später tragen wollte, der mir aber zu groß war.

Und ich erinnere mich an Geschirr mit grünem Hahn - oder gelbem Hahn und grüner Wiese? 

Ich erinnere mich an ein Poster in meinem Zimmer mit Tabaluga, dem kleinen grünen Drachen, auf dem stand: Der Himmel wird erst schön durch ein paar Wolken!

Ich erinnere mich an einen grünen Pullover, den ich gestrickt habe.

Bis auf die Ärmel.

Die konnte ich nicht, die musste Oma dranstricken.

Der Pullover liegt noch heute in meinem Schrank.

Einen anderen grünen Pulli mochte ich so gern, dass ich ihn löchrig getragen habe und schließlich sogar den von meiner Schwester bekam, die den gleichen hatte und mich ihren auftragen ließ.

Ich erinnere mich, dass ich früher nur grüne Paprika mochte, bis ich eines Tages in Jugoslawien frische rote Paprika direkt vom Feld aß. 

 

Und ich erinnere Liedtexte. 

In meinem Kopf singt es die ganze Zeit: „Grün grün grün sind alle meine Kleider …“

 

inspiriert durch einen Impuls aus der "Blütezeit-Box" von @dein_Wortschatz