Der Engel steht draußen vor dem Fenster und schaut herein zu ihr. Sie bemerkt ihn nicht, ist zu sehr beschäftigt. Vor ihr liegen Zettel mit Listen: der Einkauf fürs Fest, Weihnachtskarten für wen?, die To-Do-Liste des Tages, ... Daneben liegen verschiedene Medikamente. Einige sollen ihre Schnupfennase kurieren oder den Blutdruck in Schach halten. Die meisten aber sind für die Katze. Dass es der noch immer nicht besser geht, kann der Engel an der Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen der Frau ablesen. Gleich darunter sitzt ihre Lesebrille, denn wie so oft in diesen Tagen, steckt ihr Gesicht in einem Notizbuch. Eifrig schreibt sie hinein. Unablässig fliegt der Stift über das Papier. Manchmal umschmeichelt ein leises Lächeln ihre Lippen. Was es wohl für Gedanken sind, die ihr Gesicht erhellen, fragt sich der Engel.
Innen am Fenster, direkt neben ihm, baumelt ein leuchtender Stern und wirft warmes Licht auf die Frau. Hin und wieder schaut sie versonnen zu ihm auf. Den Engel sieht sie nicht. Sie steckt fest in ihren eigenen Gedanken, Wünschen, Sorgen und Sehnsüchten.
Unbemerkt schlüpft der Engel hinein zu ihr, stellt sich hinter sie, legt eine Hand auf ihrem Rücken und flüstert ihr zu: „Fürchte dich nicht!“
Ihre Hand stoppt nur kurz, dann schreibt sie weiter. Das Lächeln der Lippen erreicht auch die Augen. Aus dem Stift fließt die Tinte aufs Papier. Sie schreibt: Heute hat mich ein Engel besucht. Ein ermutigender Gedanke.
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